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Markierung des Ostchores der Liebfrauenkirche, Mainz; Quelle: T.D.

Markierung des Ostchores der Liebfrauenkirche, Mainz; Quelle: T.D.

In die selbe Richtung wie der vorherige Post zu St. Christoph, geht unser heutiger Artikel zu St. Maria ad Gradus, der östlich des Mainzer Doms gelegenen gotischen Hallenkirche. Diese wurde zwar 1803 – 07 abgebrochen, allerdings wurde sie weiter im historischen Bewusstsein des Areal deutlich markiert.

Liebfrauenkirche vor dem Mainzer Dom, in Matthaeus Merians Topographia Germaniae von 1675; Quelle: wikipedia

Liebfrauenkirche vor dem Mainzer Dom, in Matthaeus Merians Topographia Germaniae von 1675; Quelle: wikipedia

Zum Bau: Vermutlich ebenfalls von Erzbischoff Willigis gestiftet. In einer Quelle wird als Weihedatum des novi monasterii S.Mariae der 23. November 1069 angegeben. Dieser erste Bau brannte 1285 ab und wurde im gotischen Stil wiedererrichtet. Die Bauarbeiten liefen bis nach 1314.

Grundriss der Liebfrauenkirche, Mainz, aus: August Schuchert, Die Mainzer Kirchen und Kapellen (Mainz 1931); Quelle: wikipedia

Grundriss der Liebfrauenkirche, Mainz, aus: August Schuchert, Die Mainzer Kirchen und Kapellen (Mainz 1931); Quelle: wikipedia

Wir haben eine dreijochige, dreischiffige gotische Hallenkirche auf einem fast quadratischen Grundriss. Das Mittelschiff ist etwas breiter als die Seitenschiffe. Die Kirche ist geostet, der Ostchor ist als Apsis ausgebildet. Geplant waren zwei Türme im Osten als Verlängerung der Seitenschiffe, von denen allerdings nur der nördliche ausgeführt wurde. Geschmückt war das Portal mit gotischen Figurenschmuck, welcher sich heute im Landesmuseum Mainz befindet.

Zeichnung des Portals der Liebfrauenkirche, Mainz, aus: Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz (1990); Quelle: wikipedia

Zeichnung des Portals der Liebfrauenkirche, Mainz, aus: Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz (1990); Quelle: wikipedia

Das Gebäude bleibt aber trotz der Zerstörung weiterhin im historischen Gedächtnisses der Stadt präsent. Zum einen trägt der transistente Platz zwischen Dom und Rhein den Namen der Kirche, Liebfrauenplatz, zum anderen sind Überreste und der Grundriss darauf deutlich gemacht.

Luftbild Liebfrauenplatz, Mainz; Quelle: googlemaps

Luftbild Liebfrauenplatz, Mainz; Quelle: googlemaps

Gedenkplatte auf dem Liebfrauenplatz, Mainz; Quelle: T.D.

Gedenkplatte auf dem Liebfrauenplatz, Mainz; Quelle: T.D.

Vor allem der Ostchor bildet ein plastisch ein quasi Denkmal, welches durch die Bepflanzung im Sommer zum Verweilen einlädt.

ehemaliger Ostchor der Liebfrauenkirche, Mainz; Quelle: T.D.

ehemaliger Ostchor der Liebfrauenkirche, Mainz; Quelle: T.D.

ehemaliger Ostchor der Liebfrauenkirche, Mainz; Quelle: T.D.

ehemaliger Ostchor der Liebfrauenkirche, Mainz; Quelle: T.D.

Siehe auch:

Ruinen Inc.: St. Christoph, Mainz

Ruinen Inc. – Haus zum römischen Kaiser / Gutenberg-Museum / Bistro Codex

Ruinen Incorporated

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St. Christoph Mainz, "rekonstruiertes" südliches Seitenschiff; Quelle: T.D.

St. Christoph Mainz, "rekonstruiertes" nördliches Seitenschiff; Quelle: T.D.

Die Mainzer Kirche St. Christoph ist leider, unserer Meinung nach, eines der wenigen positiven Beispiele für einen durchdachten Umgang mit historischer Substanz in Mainz und Umgebung. Die Verwendung der Ruinen ist hier Selbstzweck, zusammen mit Ergänzungen die rein Ergänzungen bleiben wollen und auch immer als solche sichtbar sein sollen.

St. Christoph, Mainz, Langhaus von Osten; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Langhaus von Osten; Quelle: T.D.

Die Kirche St. Christoph liegt zwischen der heutigen Mainzer Fußgängerzone und dem Rhein, in einem der frühen Mainzer Siedlungskerne. Als Vorgängerbau ist 893 erstmals eine fränkische Adelskirche nachweisbar, St. Christoph als Pfarrkirche dann seit 1272. Erbaut wurde die Kirche im 13. Jahrhundert, als erstes wohl der Nordturm, noch vor der Mitte des Jahrhunderts, gegen Ende das Langhaus. Historisches Namedropping gelingt durch den Umstand, dass die Kirche die wahtscheinliche Taufkirche Gutenbergs war. Im zweiten Weltkrieg, am 12./13. August 1942, wurde die Kirche durch Bombardement stark zerstört. Nach dem zweiten Weltkrieg erhielt sie ihre heutige Funktion als Mahnmal. Noch einmal verändert wurde das Konzept 2002, als im Rahmen der Gedenkfeierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Bombardierung ein neues Lichtkonzept angebracht wurde.

St. Christoph, Mainz, Blick vom südlichen ins nördliche Seitenschiff; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Blick vom südlichen ins nördliche Seitenschiff, im Hintergrund Gedenkplatte; Quelle: T.D.

Das Konzept, dass bei der Umwandlung der ehemaligen Kirche in ein Denkmal nach dem zweiten Weltkrieg, verfolgt wurde, sah sich vor große Probleme gestellt: Der komplette Innenraum der Kirche war zerstört, das nördliche Seitenschiff musste abgetragen werden. In dieser Situation wurde das nördlichen Seitenschiff mit fünf Stützen nachgeahmt. Das Material hier wie bei fast allen Ergänzungen war einfach grauer Sichtbeton, ein Material welches einfach ohne negative Konnotation ist, sondern in ruhiger Art die Nachkriegs“not“ zeigt. Außen an das nachgebildete Seitenschiff wurden vier Reliefs von Heinz Hemrich gehängt, welche in abstahierender Art Episoden der Mainzer Stadtgeschichte zeigen. Der Nordturm der Kirche wurde wieder als Kapelle hergerichtet und beherbergt heute die orthodoxe Christophorus-Gemeinde Mainz.

St. Christoph, Mainz, Blick in den genutzten Ostchor mit der großen Gedenkplatte; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Blick in den genutzten Ostchor mit der großen Gedenkplatte; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Blick ins Seitenschiff; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Blick ins Seitenschiff; Quelle: T.D.

Siehe auch:

Ruinen Inc. – Haus zum römischen Kaiser / Gutenberg-Museum / Bistro Codex

Ruinen Incorporated

Gestern gab es hier in Mainz die Gelegenheit im Rahmen eines CDU-Termins den Um-/Neubau des Jüngeren Dalberger Hofes zu besichtigen – eine Gelegenheit für uns die neuesten „Trends“ bei der Nutzung von Denkmal mit eigenen Augen zu sehen.

Hauptfassade des Jüngeren Dalberger Hofes, ca. 1718; Quelle: wikipedia

Zuerst, warum uns der Dalberger Hof interessiert: Eines der interessantesten, wohl das größte barocke Adelspalais in Mainz. Grundlegende Literatur, die so ziemlich alles wissenswerte abdeckt ist Reinhard Schneiders „Der Dalberger Hof in Mainz und sein Architekt Caspar Herwartel 1675 – 1720: Idee und Gestalt eines barocken Adelspalastes“ (Worms 1986). Erbaut wurde das Gebäude um 1717, so zumindest das ürsprüngliche Cronostichon über dem Eingang, allerdings existieren bereits Stiche von 1710, welche Elemente des Baus zeigen. Abgeschlossen war der Rohbau 1718, wonach mit der Innenausstattung begonnen wurde, an der namhafte Künstler des Mainzer Hofes beteiligt waren. Davon ist leider nichts mehr erhalten, da der Bau bereits 1793 im Zuge des ersten Koalitionskrieges von preußischen Truppen zerschossen wurde. Er wurde wieder aufgebaut, von Paul Arnold, und wurde ab 1829/30 als großherzoglich-hessischer Justizpalast genutzt. Noch einmal wurde das Gebäude im zweiten Weltkrieg bis auf die Außenmauern zerstört, danach wiederum aufgebaut und als Polizeipräsidium sowie später für verschiedene Ämter und als Standort des Peter-Cornelius-Konservatoriums verwandt. Umstritten ist die Urheberschaft Caspar Herwartels, welcher eigentlich „nur“ Steinmetzmeister war, die Debatte um die Architektenfrage kann gut bei Schneider verfolgt werden. Kunstgeschichtlich interessant ist der Bau vor allem wegen drei Punkten. Der Hauptsaal des Palais war ein lang-gelagerter Saal, wie er in der italienischen Villenarchitektur seit Palladio auftaucht; des weiteren die Hauptfassade mit ihrem aus der französischen Klassik übernommenen 3-Risalit-Schema, wobei hier wirklich durch ein schmiedeeisernes Gitter zur Klarastraße ein cour d’honeur abgegrenzt war, lustig wenn man die beengten Verhältnisse vor Ort kennt. Letzter Punkt betrifft wiederum die Fassade, besonders die große Ordnung der italienischen Hochrenaissance mit dem genuteten Erdgeschoss-Sockel und der kolossalen Säulenstellung. Alles in allem also ein relativ ekklektizistischer Charakter, dem aber nicht der Charakter im doppelten Sinn abgeht.

Wie so vielen heute, fehlt auch der Stadt Mainz chronisch Geld, so dass, als 2005 mal wieder eine Restaurierung des Baus anstand und die Rechung auf circa 20 000 000 Euro geschätzt wurde, alle schnell nach einer anderen Lösung suchten. Die CDU kam dann nach eigenen Angaben mit der Idee auf, anstatt das alte Ding weiter zu behalten, es doch einfach zu verscheuern. Irgendwie sprach gestern jeder mit Bedauern von diesem Schritt, aber getan haben sie ihn doch. Des weiteren sprachen alle von den strengen Denkmalschutzauflagen, aber da war doch innen garnicht mehr so viel von der Originalsubstanz zu schützen. Irgendwie können wir uns des Gedankes nicht erwähren, dass die ganze Geschichte so nicht gut ist. Immerhin hat man eines der bedeutendsten Mainzer Kulturdenkmäler genommen und hat es der Öffentlichkeit entzogen, indem man es in die bestimmteste Form der Unöffentlichkeit verwandelte, Privatbesitz. Naja, alles nicht so schlimm, es geht ja kunsthistorisch vor allem um die Fassade, und die wird man weiterhin noch sehen dürfen. Oder?

Plakat der Ausstellung Gewusst wo! im Gutenberg-Museum, Mainz; Quelle: www.gutenberg-museum.de

Plakat der Ausstellung "Gewusst wo!" im Gutenberg-Museum, Mainz; Quelle: http://www.gutenberg-museum.de

Wir sind ja prinzipiell keine wirklichen Fans von Schauen, deren Ausstellungsfläche kleiner ist als die Fläche des Plakats, und das ist leider der Fall bei der genannten Ausstellung im Gutenberg-Museum Mainz. Und das größte Problem an der Sache, von der Thematik her hätte sie wahrlich besseres verdient als im leicht übersehbaren Halbkellergeschoss „versteckt“ zu werden. Kuratiert von Cornelia Schneider (Wissenschaftliche Abteilungsleiterin am Gutenberg-Museum Mainz) und Elisabeth Oy-Marra (Professorin für Kunstgeschichte an der Uni Mainz), soll die Ausstellung einen Überblick über die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Wissensräume“ des historisch-kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums Mainz-Trier bieten. In diesem Forschungsprojekt geht man mit Bezug auf neuere Ergebnisse der Raum-Philosophie (siehe zur Übersicht M. Ott, Raum, in: Ästhetische Grundbegriffe. Ein historisches Wörterbuch (Stuttgart/Weimar 2002) davon aus, dass Wissen in der Kategorisierung gleichgesetzt werden kann mit sozialen Strukturen und darum, ähnliche wie diese, Räume schafft. Ziel der Ausstellung ist es nun, wesentlich vereinfachter und für den Laien nachvollziehbarer, die Vielgestaltigkeit der Imagination vormoderner Wissenräume aufzuzeigen. Dabei waren verschwundene, wie der Hortus Mathematicus, vertreten, ebenso wie solche, die bis heute im Sprachgebrauch weiterleben, wie die Karriereleiter z.B. Und wir fragen uns, was sind die heutigen Darstellungsformen von intellektuellen Räumen, ist es im Internet-Zeitalter der html-Verzeichnisbaum oder die Tag-Cloud, sind es moderne Bibliotheks-Entwürfe, das Minority Report-Interface? Allgemein scheint es uns, als ginge es vor allem um Abstraktion und Interaktivität, beides nötig und nützlich bei der Organisation größerer und nicht mehr betonsicherer Wissenmengen (verglichen mit den Kanones des mittelalterlichen Wissens).

Heinrich Vogtherr d. Ä. (1490–1556), Turm der Grammatik, 1548, Holzschnitt, 463 x 239 mm; Quelle: www.uni-mainz.de

Heinrich Vogtherr d. Ä. (1490–1556), Turm der Grammatik, 1548, Holzschnitt, 463 x 239 mm; Quelle: http://www.uni-mainz.de

Aufgeteilt ist die Ausstellung in sieben Segmente, 1. Wissensarchitekturen, was die ganze Bandbreite an Türmen, Treppen, you name it, zeigt. 2. Das Gebiet der Karthographie 3. Als Beispiel für den einsamen Intellektuellen Hieronymus im Gehäuse 4. Sammlungsräume 5. Der Hortus Mathematicus 6. Der Wissensraum Grammatik. Dazu ist auch ein Katalog erschienen, der aber eher eine Essaysammlung darstellt, als einen wirklichen Katalog. Und da kommt auch der Schwachpunkt des ganzen Unternehmens zutage. Schon von seinem Gegenstand her muss das Forschungsprojekt sehr theoretisch bleiben, was nicht negativ ist, aber schlecht für eine Ausstellung taugt. Deswegen kamen uns manche Gebiete sehr gewollt zusammengestellt vor: Der Bogen von den imaginativen „Verbildllichungshilfen“ der Wissenarchitektur zu den wirklich darstellenden Gebieten von Karthographie und Sammlungsräumen zum Beispiel. Alles kann nur Werbung sein, Werbung für den interessierten Besucher weiterzulesen, zum Beispiel in dem ausgezeichneten Begleitband. Von daher ist die Ausstellung sehr zu empfehlen, als Ort der Anregung und leider auch Ruhe an einem ansonsten trubeligen Samstagmorgen in der Mainzer Innenstadt.

Abraham Bosse (1602-1676), Geometrischer Garten, Kupferstiche, aus: Abraham Bosse, Maniere universelle de M. Desargues pour praticquer la Perspective, Paris 1647; Quelle: www.uni-mainz.de

Abraham Bosse (1602-1676), "Geometrischer Garten", Kupferstiche, aus: Abraham Bosse, Maniere universelle de M. Desargues pour praticquer la Perspective, Paris 1647; Quelle: http://www.uni-mainz.de

weiteres zum Weiterlesen:

– Scans mancher ausgestellter Werke

Raumwissenschaften.de: Die Homepage von Stephan Günzel

Weblog Raumforschung: Blog von Jörg Dünne

– K. Bahlmann /E. Oy-Marra / C. Schneider (Hrsg.),  Gewusst wo! Wissen schafft Räume , Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften, Band 5, (Berlin 2008)

Francesco Curti (1603-1670), Aerarium philosophiae mathematicae, Frontispiz, aus: Mario Bettini, Aerarium philosophiae mathematicae, 3 Bde., Bologna 1648

Francesco Curti (1603-1670), "Aerarium philosophiae mathematicae", Frontispiz, aus: Mario Bettini, Aerarium philosophiae mathematicae, 3 Bde., Bologna 1648

Gewusst wo! Wissen schafft Räume, im Gutenberg-Museum Mainz

noch bis zum 29. März 2009

FDP Plakat an der Rheinallee, Mainz; Quelle: T.D.

FDP Plakat an der Rheinallee, Mainz; Quelle: T.D.

Normalerweise ranten wir hier ja nicht so viel, aber manchmal muss das einfach sein. Was entdecken unsere müden Augen beim täglichen Stadterkundungsgang? Ein neues Plakat der Freihetlichen. Politisches Ziel: Mehr Parkplätze. Nicht nur die verwendete Schrift und die zwei Ausrufezeichen stören uns hierbei, sondern die Essenz der Forderung. Wer Mainz kennt muss eines zugeben: Der ÖPVN hier ist damn good. Wirklich, wer jemals in anderen Städten gelebt hat wird dies hier bewundern. Die zentralen Busse im 10 Minuten Takt etc. Und dann so eine Forderung. Was wollen die eigentlich fragen wir uns, noch mehr Verkehr in der Stadt. Wahrscheinlich steht der FDPsche Sinn für Ästhetik dem unseren diametral gegenüber: Man wirft sich ja des öfteren in solche hochphilosophischen Fragestellungen wie „was würden wir ändern wenn wir einen Wunsch frei hätten“. Und die Ye Olde Mason-Antwort: Autos vernichten. Einfach diese Überlegung, alle Autos sind von einer zur anderen Sekunde vom Planeten Erde verschwunden, zurück bleiben nur diese Relikte, leere Straßen, rießige Gebilde, die nur dem Gotte Mobilität huldigen. Man hat wirkliche Fläche in der Stadt, zwar hässliche graue, schmutzige Fläche, aber wunderbare freie Sichtverhältnisse. Und in solche Träume platzt die FDP. Wenn wir etwas weniger unpolitisch wären, hätten wir vielleicht vorher einmal denken können: Bei der nächsten Wahl FDP, die haben das doch auch mal verdient, das Gewähltwerden. Aber so?! So nicht. Unser Fazit: Unwählbar. So genug aufgeregt für heute … morgen dann die GEZ …

via boiteaoutils

Boiteaoutils verlinkten vor ein paar Tagen die 2001er Photographie von Armin Linke zum G18-Gipfel in Genua und sprachen dabei an, dass die Neuerungen der Stadtplanung des frühen 19. Jahrhunderts auch in Bezug auf neuere Konfliktsituationen geschaffen wurden. Feinde der Führung eines Volkes/Staates waren nun nicht mehr in der Regel nur andere Staaten mit geordneten Heeren, sondern auch immer öfter die eigene Bevölkerung. Die Konflikte wurden auch in Städten ausgetragen. Das wird unserer Meinung nach bei der Besprechung der Städte viel zu oft vergessen. Es ging um konkrete Einsatzmöglichkeiten für die Polizeikräfte, die auf breiten Boulevards wesentlich besser agieren konnten als auf engen Altstadtstraßen.

Insgesamt erinnerten mich diese Ausführungen an den 23. Februar 2005, der Tag an dem auch Mainz etwas Weltpolitik schnuppern konnte.

Lauterenstraße, Mainz, 23.02.2005; Quelle: flickr-usr sperrobjekt

Lauterenstraße, Mainz, 23.02.2005; Quelle: flickr-usr sperrobjekt

Es war damals vor allem die Kaiserstraße, die als Hauptmarschroute des Demonstrationszuges schon Tage vor dem geplanten Besuch weiträumig abgeriegelt war. Es lässt sich nun auch hier darüber nachdenken, inwieweit bereits den Planungen Kreysigs dieses Motiv zugrunde lag.

Foto der Kaiserstraße, Mainz, 1892; Quelle: wikipedia

Foto der Kaiserstraße, Mainz, 1892; Quelle: wikipedia

Dom und Bude, Mainz, Marktplatz, 20.02.2009; Quelle: T.D.

Ostvierung des Doms und Bude, Mainz, Marktplatz, 20.02.2009; Quelle: T.D.

Jedes Jahr zur gleichen Zeit kann man in Mainz die Verwandlung der Innenstadt erleben. In der Woche vor dem bekannten Rosenmontagsumzug wird der Bereich Schillerplatz, Ludwigsstraße, Dom-Komplex Fassenacht-tauglich gemacht. Obwohl die Redaktion von Ye Olde Mason die „närrischen Tage“ eher als nette Urlaubsmöglichkeit mag, können auch wir uns den städtebaulichen Veränderungen nicht ganz verschließen.

Ephemere Tribüne, Gutenbergplatz, Mainz; Quelle: T.D., 21.02.2009

Ephemere Tribüne, Gutenbergplatz, Mainz; Quelle: T.D., 21.02.2009

Besonders auffällig ist die Besetzung der ansonsten freien Platzflächen mit maeniana oder Zelten. Allgemein ist der ganze Vorgang geprägt von Funktionalität.

Das Festtor, Höfchen, Mainz, Quelle: T.D., 21.02.2009

Das Festtor, Höfchen, Mainz, Quelle: T.D., 21.02.2009

Sogar das große Festtor zum Marktplatz ist ein einfaches Gerüst mit Bannern. Wie Langweilig! Vielleicht würde das ganze Spektakel auch uns anziehen, wenn es mehr wäre wie die bei Dietrich Erben geschilderten Verwandlungen der Piazza di Spagna in Rom!

Zum ersten Teil unserer neuen Serie Ruinen Incorporated heute eine Mainzer Institution: Das Haus zum römischen Kaiser bzw. der Komplex Gutenberg-Museum, Bistro Codex. Der Bau liegt am Liebfrauenplatz, dem Platz neben der ehemaligen Liebfrauenkirche, zum Marktplatz hin.

Die Baugeschichte in kürze: Erbaut wurde das Haus zum römischen Kaiser in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für den Großkaufmann, kurfürstlichen Rat und Rentmeister Edmund Rokoch. Es nimmt insbesonders in der Architekturgeschichte von Mainz einen besonderen Platz ein, da es als erster größerer Neubau nach den Zerstörungen des 30-jährigen Krieges eine Vorbildfunktion für spätere Bauten hatte. Der Schmuck der Hauptfassade stammt wohl aus der Zeit um 1700. Seit 1742 war es als Hotel Zum römischen Kaiser bekannt und kann sich mit Namen wie Voltaire, Mozart und Goethe als Gästen schmücken.

Neubau des Gutenberg-Museums von Rainer Schell, 1962; Quelle: www.gutenberg-museum.de

Neubau des Gutenberg-Museums von Rainer Schell, 1962; Quelle: http://www.gutenberg-museum.de

Ab Mai 1927 werden erste Räume in dem Gebäude für das 1901 gegründete Gutenberg-Museum benutzt, ab April 1932 das gesamte Gebäude. Wie auch fast die ganze Mainzer Innenstadt wird auch das Haus zum römischen Kaiser im 2. Weltkrieg schwer beschädigt, allerdings, auch wegen des darin untergebrachten Gutenberg-Museum, ab 1960 wieder aufgebaut bzw. besser rekonstruiert. Ergänzt wurde der gesamte Komplex durch den 1962 fertiggestellten Neubau von Rainer Schnell.

Eingangssituation des Gutenberg-Museums, Quelle: www.gutenberg-museum.de

Eingangssituation des Gutenberg-Museums, Quelle: http://www.gutenberg-museum.de

Heute ist die Eingangssituation des Gutenberg-Museum folgend gelöst: Man betritt den kleineren Innenhof von der Seilergasse aus, welche vom Liebfrauenplatz zum Brand führt. Auf dem Bild erkennt man links den Eingang und das Foyer des Neubaus und rechts, mit dem charakteristischen rosa Putz, das alte bzw. neue rekonstruierte Haus zum römischen Kaiser. Im Hintergrund das uns interessierende Objekt, das Bistro Kodex mit den verbauten Resten des alten Baus.

Außenraum des Bistro Codex, Mainz; Quelle: www.gutenberg-museum.de

Außenraum des Bistro Codex, Mainz; Quelle: http://www.gutenberg-museum.de

Jedem, der einmal in diesem Raum saß, werden sie sofort aufgefallen sein: mit floralen Mustern geschmückte Konsolen aus hellrotem Sandstein, sowie ein imposanter Bogen mit 3/4 Säulen mit Kompositkapitellen, einer relieferten Attika sowie darüberliegendem Zahnschnitt, sowie einem Löwenkopf als Schlussstein. Hier noch einmal en detail:

Bogen im Bistro Codex, Mainz; Quelle: www.gutenberg-museum.de

Bogen im Bistro Codex, Mainz; Quelle: http://www.gutenberg-museum.de

Wie werden diese Details hier verwendet? Eingebettet sind sie in eine Hintergrundwand aus grauem Kieselbeton, sowohl zwangsläufige Referenz an die nicht gerade reiche Nachkriegszeit, in die der Neubau immernoch hereinrutscht, als auch optischer Heraushebung der rötlichen Artefakte. In der Tat tritt die Wand im Raum selbst zurück und lässt, auch hervorgerufen von der großzügigen Beleuchtung die Überreste deutlicher hervortreten. Trotzdem kann man natürlich über die ästhetischen Qualitäten von Kiesbeton streiten, wobei das Urteil wahrscheinlich nicht unbedingt zugunsten der kleinen Steinchen ausfallen dürfte. Hervorzuheben bleibt noch, dass die Konsolen hier wirklich tragende Funktion haben, genau wie der Bogen immernoch seine Durchgangsfunktion, die Teile bleiben nicht nur, wenn auch hauptsächlich, reine Ornamentik.

Siehe auch:
Ruinen Incorporated