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St. Christoph Mainz, "rekonstruiertes" südliches Seitenschiff; Quelle: T.D.

St. Christoph Mainz, "rekonstruiertes" nördliches Seitenschiff; Quelle: T.D.

Die Mainzer Kirche St. Christoph ist leider, unserer Meinung nach, eines der wenigen positiven Beispiele für einen durchdachten Umgang mit historischer Substanz in Mainz und Umgebung. Die Verwendung der Ruinen ist hier Selbstzweck, zusammen mit Ergänzungen die rein Ergänzungen bleiben wollen und auch immer als solche sichtbar sein sollen.

St. Christoph, Mainz, Langhaus von Osten; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Langhaus von Osten; Quelle: T.D.

Die Kirche St. Christoph liegt zwischen der heutigen Mainzer Fußgängerzone und dem Rhein, in einem der frühen Mainzer Siedlungskerne. Als Vorgängerbau ist 893 erstmals eine fränkische Adelskirche nachweisbar, St. Christoph als Pfarrkirche dann seit 1272. Erbaut wurde die Kirche im 13. Jahrhundert, als erstes wohl der Nordturm, noch vor der Mitte des Jahrhunderts, gegen Ende das Langhaus. Historisches Namedropping gelingt durch den Umstand, dass die Kirche die wahtscheinliche Taufkirche Gutenbergs war. Im zweiten Weltkrieg, am 12./13. August 1942, wurde die Kirche durch Bombardement stark zerstört. Nach dem zweiten Weltkrieg erhielt sie ihre heutige Funktion als Mahnmal. Noch einmal verändert wurde das Konzept 2002, als im Rahmen der Gedenkfeierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Bombardierung ein neues Lichtkonzept angebracht wurde.

St. Christoph, Mainz, Blick vom südlichen ins nördliche Seitenschiff; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Blick vom südlichen ins nördliche Seitenschiff, im Hintergrund Gedenkplatte; Quelle: T.D.

Das Konzept, dass bei der Umwandlung der ehemaligen Kirche in ein Denkmal nach dem zweiten Weltkrieg, verfolgt wurde, sah sich vor große Probleme gestellt: Der komplette Innenraum der Kirche war zerstört, das nördliche Seitenschiff musste abgetragen werden. In dieser Situation wurde das nördlichen Seitenschiff mit fünf Stützen nachgeahmt. Das Material hier wie bei fast allen Ergänzungen war einfach grauer Sichtbeton, ein Material welches einfach ohne negative Konnotation ist, sondern in ruhiger Art die Nachkriegs“not“ zeigt. Außen an das nachgebildete Seitenschiff wurden vier Reliefs von Heinz Hemrich gehängt, welche in abstahierender Art Episoden der Mainzer Stadtgeschichte zeigen. Der Nordturm der Kirche wurde wieder als Kapelle hergerichtet und beherbergt heute die orthodoxe Christophorus-Gemeinde Mainz.

St. Christoph, Mainz, Blick in den genutzten Ostchor mit der großen Gedenkplatte; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Blick in den genutzten Ostchor mit der großen Gedenkplatte; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Blick ins Seitenschiff; Quelle: T.D.

St. Christoph, Mainz, Blick ins Seitenschiff; Quelle: T.D.

Siehe auch:

Ruinen Inc. – Haus zum römischen Kaiser / Gutenberg-Museum / Bistro Codex

Ruinen Incorporated

Zum ersten Teil unserer neuen Serie Ruinen Incorporated heute eine Mainzer Institution: Das Haus zum römischen Kaiser bzw. der Komplex Gutenberg-Museum, Bistro Codex. Der Bau liegt am Liebfrauenplatz, dem Platz neben der ehemaligen Liebfrauenkirche, zum Marktplatz hin.

Die Baugeschichte in kürze: Erbaut wurde das Haus zum römischen Kaiser in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für den Großkaufmann, kurfürstlichen Rat und Rentmeister Edmund Rokoch. Es nimmt insbesonders in der Architekturgeschichte von Mainz einen besonderen Platz ein, da es als erster größerer Neubau nach den Zerstörungen des 30-jährigen Krieges eine Vorbildfunktion für spätere Bauten hatte. Der Schmuck der Hauptfassade stammt wohl aus der Zeit um 1700. Seit 1742 war es als Hotel Zum römischen Kaiser bekannt und kann sich mit Namen wie Voltaire, Mozart und Goethe als Gästen schmücken.

Neubau des Gutenberg-Museums von Rainer Schell, 1962; Quelle: www.gutenberg-museum.de

Neubau des Gutenberg-Museums von Rainer Schell, 1962; Quelle: http://www.gutenberg-museum.de

Ab Mai 1927 werden erste Räume in dem Gebäude für das 1901 gegründete Gutenberg-Museum benutzt, ab April 1932 das gesamte Gebäude. Wie auch fast die ganze Mainzer Innenstadt wird auch das Haus zum römischen Kaiser im 2. Weltkrieg schwer beschädigt, allerdings, auch wegen des darin untergebrachten Gutenberg-Museum, ab 1960 wieder aufgebaut bzw. besser rekonstruiert. Ergänzt wurde der gesamte Komplex durch den 1962 fertiggestellten Neubau von Rainer Schnell.

Eingangssituation des Gutenberg-Museums, Quelle: www.gutenberg-museum.de

Eingangssituation des Gutenberg-Museums, Quelle: http://www.gutenberg-museum.de

Heute ist die Eingangssituation des Gutenberg-Museum folgend gelöst: Man betritt den kleineren Innenhof von der Seilergasse aus, welche vom Liebfrauenplatz zum Brand führt. Auf dem Bild erkennt man links den Eingang und das Foyer des Neubaus und rechts, mit dem charakteristischen rosa Putz, das alte bzw. neue rekonstruierte Haus zum römischen Kaiser. Im Hintergrund das uns interessierende Objekt, das Bistro Kodex mit den verbauten Resten des alten Baus.

Außenraum des Bistro Codex, Mainz; Quelle: www.gutenberg-museum.de

Außenraum des Bistro Codex, Mainz; Quelle: http://www.gutenberg-museum.de

Jedem, der einmal in diesem Raum saß, werden sie sofort aufgefallen sein: mit floralen Mustern geschmückte Konsolen aus hellrotem Sandstein, sowie ein imposanter Bogen mit 3/4 Säulen mit Kompositkapitellen, einer relieferten Attika sowie darüberliegendem Zahnschnitt, sowie einem Löwenkopf als Schlussstein. Hier noch einmal en detail:

Bogen im Bistro Codex, Mainz; Quelle: www.gutenberg-museum.de

Bogen im Bistro Codex, Mainz; Quelle: http://www.gutenberg-museum.de

Wie werden diese Details hier verwendet? Eingebettet sind sie in eine Hintergrundwand aus grauem Kieselbeton, sowohl zwangsläufige Referenz an die nicht gerade reiche Nachkriegszeit, in die der Neubau immernoch hereinrutscht, als auch optischer Heraushebung der rötlichen Artefakte. In der Tat tritt die Wand im Raum selbst zurück und lässt, auch hervorgerufen von der großzügigen Beleuchtung die Überreste deutlicher hervortreten. Trotzdem kann man natürlich über die ästhetischen Qualitäten von Kiesbeton streiten, wobei das Urteil wahrscheinlich nicht unbedingt zugunsten der kleinen Steinchen ausfallen dürfte. Hervorzuheben bleibt noch, dass die Konsolen hier wirklich tragende Funktion haben, genau wie der Bogen immernoch seine Durchgangsfunktion, die Teile bleiben nicht nur, wenn auch hauptsächlich, reine Ornamentik.

Siehe auch:
Ruinen Incorporated

Wir hier bei Ye Olde Mason stehen ja auf Serien, viel mehr als die großen Blockbuster törnen uns ja Serien an, die wie die Sopranos oder Ye Olde Mason-spezifisch Rome das geneigte Publikum über einen längeren Zeitraum immer wieder mit den Stories seines Interesses versorgen.
Und darum auch jetzt in analogie hier eine neue Serie: Ruinen Incorporated. Wir werden eine Eigenart von Architektur beleuchten, die im Ye Olde Mason-Fokus liegt wie sonst nichts: In neuere Architektur verbaute Ruinen. In neuerer Zeit durch Bauten wie z.B. Peter Zumthors Kolumba-Museum in Köln oder Herzog&De Meurons CaixaForum in Madrid vermehrt ins Rampenlicht gekommen, geht diese Praxis in viel frühere Zeiten zurück und kann in gewisser Weise bereits in der Antike gesehen werden, z.B. an Hadrians Pantheon in Rom mit der Einbeziehung der Fassade des augusteischen Vorgängerbaus.
Damit wollen wir zum einen Sammeln und Zeigen, aber auch prinzipielle Fragen stellen, die den ästhetischen wie funktionalen Umgang mit der alten Substanz beleuchten.
Denn: Das Inkorporieren und demonstrative Herzeigen älterer Bausubstanz, was bei allen hier behandelten Objekten immer existieren wird, lässt verschiedene Fragen stellen und möglichst auch beantworten. Wie war der Bezug des ausführenden Architekten zur Vergangenheit allgemein, zur hier benutzten Epoche im spezifischen? Wie wurde die einhefügte Substanz verstanden, bewertet? Welche Funktion hatten die Artefakte?
Alles wichtige Fragen, die wir hoffen beantworten zu können.